Samstag, 18. April 2020

Berichte aus der Arche ...

Irgendwie haben wir es gerade noch rechtzeitig auf den Berg geschafft. Splendid Isolation sozusagen. Nie war ich so froh, nicht mehr in Münster zu sein. Hier auf dem Berg treffen wir auf unseren Runden so gut wie nie eine Menschenseele. Unsere Terrasse ist mittlerweile ein kleine Agility-Trainings-Einheit, wo wir zumindest Wippe, Slalom und 2 Sprünge üben können. Ich bin routinierter "Vor-dem-Laden-Ansteher", Maskenträger und sogar im Straßenverkehr für meine Verhältnisse tiefenentspannt.

Das Leben hat sich so unfassbar und unvorstellbar grundlegend geändert. Seit Wochen bin ich im Homeoffice und nur einen Tag im Büro. Der Unterricht an der Hochschule wird präsenzfrei stattfinden. Die Straßen sind so leer, dass es manchmal direkt apokalyptisch wirkt. Wie Artefakte einer Zeit, an die man sich kaum noch erinnert.

Hier in Deutschland geht es uns so gut, dass schon die Jammerei losgeht, weil es keinen planbaren Sommerurlaub 2020 geben wird. Mir ist natürlich klar, dass nicht jeder so perfekt in der Krise leben kann wie ich - aber ich kann nicht verstehen, dass die Menschen es nicht schaffen, über den deutschen Tellerrand nach Italien, Spanien, in die USA zu schauen. Wir haben bis jetzt Glück gehabt, setzen wir es nicht auf Spiel in dem wir fahrlässig Vergnügen vor Vernunft setzen!

Unerträglich ist für mich der Corona-Hype der Medien - nicht nur der sozialen - der viele erst in die sogenannte Corona-Rebellion hineintreibt und die gute alte Blockwart-Tradition wieder zum Leben erweckt. Seriöse Berichterstattung wird zugunsten von Panikmache und "wir-halten-zusammen"-Aktionismus vernachlässigt. Es ist für den Einzelnen dadurch fast unmöglich geworden, unsere Situation realistisch einzuschätzen, Perspektiven, Bedrohungen, mögliche Szenarien emotionsfrei abzuwägen. Sicher ist das "wir-halten-in-der-Krise-zusammen"-Feeling für viele hilfreich. Aber viele Entscheidungen, in die die Träger derselben durch die Panikmache hineingetrieben werden, sind sinnfrei, überflüssig und kontraproduktiv. Als Beispiel nehme ich mal unser Agility-Training. Selten, dass da mehr als 10 Menschen auf dem Platz sind. Abstand allein schon durch die spezifischen Gegebenheiten des Agility gewährleistet. Im Gegensatz zu Fußball beispielsweise. Mir würde ein Training mehr geben als ein Besuch im Gottesdienst. Aber ein wenig Gleichmacherei und gemeinsames Leid muss es in einer Krise wohl geben ...

Andererseits wird nicht oder von zu wenigen offen ausgesprochen, dass das Virus nun zu unserem Leben gehören wird. Mag sein, dass es einen Impfstoff geben wird (vermutlich von überforderten Eltern oder frustrierten Agility-Sportlern erfunden ... haha) - ob das langfristig gegen ein mutationsfreudiges Virus Schutz bietet, sei dahingestellt.

Ich glaube, es wird keine Rückkehr geben in die Normalität vor Corona. Nicht alles dabei ist zu bedauern. Wir müssen nun alle am Aufbau einer neuen Normalität arbeiten. Gemeinsam, offen, ohne Vorurteile, ohne Panik und ohne falsche Hoffnungen. Das Abenteuer Leben ist und war ein Risiko, das immer mit dem Tod endet. 

Ich wage keine Prognose, denn ich glaube nicht an einen verlässlichen gesicherten Zeitpunkt, an dem diese oder jene Einschränkung zurückgenommen werden könnte.

Gerne würde ich an die Eigenverantwortung und Vernunft meiner Mitmenschen glauben. Aber auch das ist ein Wagnis, dass ich wohl eingehen werden muss ...


Der Titel "Berichte aus der Arche" stammt von einem Buch, bei dem mein Vater Herausgeber und Autor war. Damals ging es um zoologische Gärten ... ich fand ihn vor dem Hintergrund des möglichen Endes der Menschheitsgeschichte ganz passend und weniger offensichtlich reißerisch als so manch andere meiner Ideen ... 

Heute war es irgendwo nicht der Tag für heile Terrassen-Agi-Posts. Kommen dann die Tage ...