Donnerstag, 24. Mai 2018

Nur wer aufgibt, hat verloren!

Seit meinem letzten Post habe ich viel gelesen, viel nachgedacht, eine tolle Trainerin mit einem sehr passenden Trainingsansatz gefunden - aber erst mal der Reihe nach.

Verhaltensauffälligkeiten beim Hund - oder: was ist schon normal?

Mal ganz ketzerisch gedacht, empfinden wir Menschen bei unseren Kindern, Hunden, Partner als "normal" wohl genau das Verhalten, was wir uns wünschen oder mit dem wir zumindest umgehen können.

Der Jagdhund, der nicht schußfest ist, der Hütehund, der Schafe doof findet, das Kind des Musiklehrers, das unmusikalisch ist ... letztendlich ist es meist die Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und Realität, die Verhalten problematisch macht. (Echte und problematische Verhaltensstörungen sind nicht teil dieses Blogs, weil ich davon einfach keine Ahnung habe.)

Damit leite ich mal über zu meinen Hunden. Die Koboldprinzessin, die jedes Mal abdreht wie Chewbaka auf Ekstasy wenn ich nur in die Nähe der Leine komme, empfinde ich bestenfalls als ein klein wenig übermotiviert, möglicherweise ein wenig verhaltensoriginell ...

Nun zu Myway. Wir haben ihn mit 8 Wochen aus Luxemburg von der Züchterin geholt. Seinen Vater Spin kannte ich vorher von einem Seminar, seine Mutter Hope habe ich beim ersten Besuchstermin kennengelernt. Beides sehr entspannte, aufgeschlossene Hunde.

Myway zeigte von Anfang an eine sehr ausgeprägte Reaktion auf fremde Menschen. Als Erst-Sheltie-Besitzer habe ich das erst mal aus der Rassebeschreibung "Fremden gegenüber zurückhaltend" erklärt. Natürlich war Myway von Anfang an überall dabei - durch den Wohnwagen konnten wir ihm aber zwischendurch immer wieder ein Rückzugsplätzchen bieten. 

Um fremde Menschen positiv zu verknüpfen, haben wir akzeptiert und gefördert, dass er in diesen Situationen Leckerlis bekommt. Für Leckerlis hat der verfressene Sheltie auch sofort Distanzen überwunden und die Leckerbissen genommen. Aber immer deutlich auf Flucht im Sinne von sofortigem Distanzaufbau bedacht. Wenn es keine Leckerlis mehr gab, war Myway auch sofort nicht mehr interessiert. Andererseits ist er bei wiederholter Leckerligabe mit den Pfoten aufs Knie und sehr nah an den Spender. 

Meine Einschätzung: er mag den Kontakt zu Fremden nicht, akzeptiert es aber, wenn ich es will (Tierarzt) oder wenn es sich lohnt (Leckerli). Freiwillig geht Myway auch heute weder zu meiner Mutter, die ihn seit jeher mit Käse und Co. verwöhnt noch zu meinen Kindern, die hier zwar nicht wohnen, aber doch öfter anwesend sind. 

Dieses Verhalten mag selbst für den Rassetypus zu extrem sein, aber ich kann damit umgehen und sogar akzptieren.

Wesentlich problematischer ist Myways panisch-erschrecktes Verhalten, wenn Menschen ihm unbedacht, schnell und besonders von hinten zu nahe kommen. 

Trotz Lektüre eines sehr interessanten Büchleins über "Den Einfluss von Streß und Angst auf Gehirn und Verhalten" werde ich bei Myway wohl weder die Ursachen verstehen noch diese Reaktionen großartig beeinflussen können. Für Angstentstehung und Furchtgedächtnis ist die Amygdala zuständig - und die ist immer die erste Instanz, lange bevor so Dinge wie Bewusstsein oder Training ins Spiel kommen. 

Nun ja. 

Meine Mutter hat mir irgendwann mal Kinder gewünscht, die sind wie ich: Hübsch, intelliegend und liebenswert, aber anstrengend.

Hat geklappt. Nicht nur bei meinen Kindern, auch meine Pferdchen und Ponys waren eher so nette Herausforderungen auf 4 Hufen.

Und nach dem Gesetz der Serie setzt sich das wohl bei meinen Hunden fort. Ausnahme ist Donna, die einfach nur hübsch und liebenswert ist und so pflegeleicht, dass ich damals überhaupt das Experiment Mehrhundehaltung in Betracht gezogen habe.
Und mal abgesehen davon, dass Agility mit Myway immer noch besser ist als gar kein Agility, ist Aufgeben von Träumen ja so gar keine Option. 

Und nach all den Analysen und Problemen kommt hier nun tatsächlich endlich auch mal eine Lösung. Hat 4 Buchstaben, heißt Feli (den vollen Namen schreibe ich hier nicht) und sehr deutliche Worte gefunden. Dass Myway mit mir nicht arbeitet. Punkt. Blöd. Aus. Und zu dick ist er auch. Noch blöder. Vor allem für Myway.

Therapie war eine komplette Umorientierung. Essen gibt es nur gegen Arbeit. Genau genommen ziemlich wenig Essen gegen viel Arbeit. Während die Senioren und Hope ihre Näpfe hingestellt bekamen, wurde Myways Futter (wegen der Griffigkeit meist Hühner-Herzen und Mägen) in einen Dummy gepackt und gegen "Zergeln" und Apportieren mit anschließendem Zergeln einzeln an den Hund gegeben. Mittlerweile hat Myway zum einen 2 Kilo abgenommen und bekommt an normalen Tagen sein Futter gegen motiviertes Zergeln auch mal im Napf. (Zergeln = ziehen am Zerrspielzeug, eine Seite Mensch, eine Seite Hund - dies sei sicherheitshalber mal angemerkt).

Auf Turnieren gibt es Futter aus dem Dummy, ein Drittel beim Aufwärmen, den Rest nach dem Lauf. Dies übrigens erfolgsunabhängig, Menschen machen Fehler, Hunde nicht.

Und?!

Es klappt. Der Kleine ist nicht wiederzuerkennen, arbeitet mit mir, Details und Schnelligkeit werden wir trainieren, aber es arbeitet, es ist motiviert, es macht so richtig Spaß mit ihm. Und ihm mit mir. Endlich Team. Auf dem besten Weg zum Dreamteam.

Hier mal ein Video der letzten Läufe, das sehr schön die Entwicklung zeigt: